Langzeitarbeitslosen Chancen eröffnen: Öffentlich geförderte Beschäftigung in Dortmund
Wie kann man gering qualifizierten Menschen, die über lange Zeit hinweg arbeitslos waren und dazu Vermittlungshemnisse, wie beispielsweise Verschuldung oder Suchtproblematiken aufweisen, berufliche Perspektiven eröffnen?
Das Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (MAIS NRW) versucht, mit dem Programm „Öffentlich geförderte Beschäftigung NRW“ (ÖgB) eine Antwort auf diese, gerade für Dortmund, drängende Frage zu geben.
Das Programm zielt das auf die Integration besonders benachteiligter Zielgruppen in das Erwerbsleben. Langzeitarbeitslose mit mehreren Vermittlungshemmnissen werden durch die Schaffung von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen in öffentlicher oder gemeinwirtschaftlicher Verantwortung verbunden mit Coaching und arbeitsmarktnaher Qualifizierung in den Arbeitsmarkt integriert.
In Dortmund wird das Landesprogramm unter anderem durch die in der „Interessengemeinschaft sozialgewerblicher Beschäftigungsinitiativen e.V. (ISB)“ zusammengeschlossenen Trägerorganisationen im Rahmen des Projektes " Aktiv statt passiv" umgesetzt. Seit dem Start des Programms wurden insgesamt 475 Arbeitsplätze für langzeitarbeitslose Menschen angeboten. Die Gesamtkosten von „Aktiv statt passiv!“ werden vom Jobcenter und der Kommune, dem Land NRW und dem Europäischen Sozialfons (ESF), sowie den beteiligten Arbeitgeber der ISB e.V. getragen. Die Regionalagentur Westfälisches Ruhrgebiet unterstützt die Träger bei der Konzeption, der Beantragung und der Abrechnung der Projekte im Programm ÖgB.
Im Interview gibt Andreas Koch, Geschäftsführer der GrünBau gGmbH und Vorstand der ISB einen Einblick in die Umsetzung des Programms in Dortmund. Der Diplom-Sozialarbeiter arbeitet seit 1991 bei GrünBau. Die GrünBau gGmbH ist 1990 aus dem Beschäftigungsprojekt „Bauteam grüne Nordstadt“ des Planerladen e.V. hervorgegangen. Gesellschafterin ist die Stiftung Soziale Stadt. Zum Stammpersonal in der Dortmunder Nordstadt gehören mittlerweile 205 Personen unterschiedlichster Profession. Zusätzlich werden 560 Berufshilfe- und Betreuungsplätze für Langzeitarbeitslose und Jugendliche bereitgestellt. Der Unternehmenssitz befindet sich in der Dortmunder Nordstadt.
Herr Koch, sie setzen, zusammen mit anderen im ISB (Interessengemeinschaft sozialgewerblicher Beschäftigungsinitiativen e.V.) verbundenen Trägern im Rahmen des Projekts „Aktiv statt passiv!“ das Landesprogramm „Öffentlich geförderte Beschäftigung NRW /Sozialer Arbeitsmarkt“ in Dortmund um. Worum geht es dabei?
Koch: Mit dem Projekt „Aktiv statt passiv“ verfolgen wir seit 2013 das Ziel, langzeitarbeitslose Menschen mit mehreren Vermittlungshemmnissen, das können beispielsweise Suchterkrankungen oder Verschuldung sein, eine aktive und sinnvolle Beteiligung am Erwerbsleben zu ermöglichen, anstelle dauerhafter Zahlung von Transferleistungen und einem Verharren in der Passivität. Kurz gefasst: Wir wollen Menschen in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bringen.
Und wie sieht das im Detail aus?
Koch: Wir stellen Langzeitarbeitslose, zum Großteil aus der Altersgruppe 50+, für zwei Jahre ein. Bei GrünBau erhalten sie für diesen Zeitraum die Möglichkeit, in mehreren Gewerken, beispielsweise Hochbau, Garten- und Landschaftsbau oder auch Dienstleistungen rund ums Haus, einer geregelten Arbeit nachzugehen. Sie werden hierbei sozialpädagogisch unterstützt. Auf 20 Teilnehmende kommt bei uns ein Jobcoach. Ebenso erhalten sie eine Unterstützung bei der Überwindung ihrer Vermittlungshemmnisse, also z.B. eine Schuldnerberatung. Diese Eingliederungsleistungen nach §16a SGB II werden durch die Kommune getragen. Die Kommune bringt die eingesparten Kosten der Unterkunft in die Finanzierung der Arbeitsplätze ein.
Ebenso wird großer Wert auf die individuelle Kompetenzförderung und die Persönlichkeitsförderung gelegt: so ist im Rahmen des Projektes auch der Erwerb eines beruflich notwendigen Führerscheins oder eine berufsbezogene Sprachförderung möglich.
Wichtig ist: alle Teilnehmer/innen erhalten für den Zeitraum ihrer Anstellung ein sozialversicherungspflichtiges Gehalt, dass ihnen, wie ihren fest angestellten Kollegen, direkt vom Arbeitgeber auf ihr Konto überwiesen wird. Das gibt natürlich auch ein Stück Normalität für Menschen, die im Durchschnitt die letzten 8 Jahre (!) arbeitslos waren.
In welchen Tätigkeitsbereichen werden die Teilnehmer/innen eingesetzt?
Koch: Wir bei GrünBau setzen unsere Teilnehmenden vor allem in den Bereichen Hochbau, Garten- und Landschaftsbau, Facility Management und haushaltsnahe Dienstleistungen ein. Aber auch im Bereich Logistik, in der Pflege, im Recyclingbereich werden Arbeitsplätze von den Trägern des Projektverbundes angeboten. In diesen Bereichen gibt es gute Integrationschancen. Alle Teilnehmenden werden nach den Prinzipien der „fairen Arbeit“ beschäftigt und im Rahmen der jeweils gültigen Tarife entlohnt.
Wie viele Teilnehmende wurden bisher durch GrünBau betreut? Und wie setzt sich die Teilnehmerschaft zusammen?
Koch: Seit dem Start haben wir bisher 60 Teilnehmenden gehabt. Insgesamt wurden durch die elf im ISB in Dortmund zusammengeschlossenen Träger bisher 475 Menschen betreut. Unsere Teilnehmer sind zu 70 Prozent männlich, was natürlich auch an den im Projekt angebotenen Einsatzfeldern liegt. Fast ein Viertel hat keinen Schulabschluss, knapp die Hälfte einen Hauptschulabschluss. Etwas mehr als ein Drittel verfügt über eine betriebliche Ausbildung, 48 Prozent haben hingegen überhaupt keine abgeschlossene Berufsausbildung. Ungefähr ein Drittel hat einen Migrationshintergrund.
Sie sagten ja, dass Sie vor allem im Baubereich aktiv sind. Wie darf man sich das vorstellen?
Koch: Mit allen unseren Aktivitäten verfolgen wir den Anspruch, dass wir für den Stadtteil, in dem wir aktiv sind, einen Mehrwert erzielen möchten. Das spiegelt sich in unseren Projekten wieder. Wir sind ja in der Dortmunder Nordstadt angesiedelt. Hier stellen sogenannte „Problemimmobilien“, also stark verwahrloste und teilweise baufällige Mehrfamilienhäuser eine große Herausforderung dar. Im Auftrag der Dortmunder Wohnungsbaugesellschaft DOGEWO21 haben wir beispielsweise das Haus Brunnenstr. 51 gemeinsam mit unseren Projektteilnehmern instand gesetzt. Hierfür wurden wir 2014 mit dem Preis „Soziale Stadt“ ausgezeichnet.
Aber auch in anderen Stadtteilen sind wir aktiv. So haben wir in Wickede den „Generationenpark“ mit angelegt. Auch der Umbau ehemals anders genutzter Immobilien in ein Flüchtlingsheim oder auch der Ausbau des Hauses Rheinische Straße 135 zu einem Jugendzentrum wurden im Rahmen des Projektes bisher bewerkstelligt.
Wie kommt das Programm bei den Teilnehmenden an?
Koch: Das Programm kommt sehr gut an. Wir haben, gerade im Vergleich zu anderen Programmen, sehr niedrige Abbruchquoten und verspüren immer wieder hohe Verlässlichkeit und Motivation. Und wir haben das Gefühl, dass sie gerne zu uns kommen.
Die Anstellung und vor allem die Lohnabrechnung über GrünBau ist hier ein ganz entscheidender Faktor, denn: das Geld kommt am Monatsende nicht vom Jobcenter, sondern wie bei allen angestellten Arbeitnehmern auch direkt vom Arbeitgeber. Für Menschen, die das noch nie oder zumindest sehr lange Zeit nicht erlebt haben, ist das natürlich auch ein Ausdruck von Wertschätzung für ihre Arbeitsleistung. Auch unsere Übergangsquoten sind wirklich gut, bisher haben 50 Prozent der Teilnehmer/innen im Anschluss eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gefunden.
Was ist Ihnen in Bezug auf das Projekt ein besonderes Anliegen? Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Koch: Wir freuen uns über jeden Teilnehmenden, der nach den zwei Jahren bei uns den Sprung in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung schafft. Wir sollten jedoch auch die 50 Prozent nicht aus den Augen verlieren, die den Sprung nicht schaffen. Hier gibt es bisher keine Möglichkeit, das Programm individuell und bedarfsgerecht zu verlängern. Gerade mit Blick auf unseren hohen Altersschnitt unter den Teilnehmer/innen wäre es aber wichtig, auch hier Perspektiven zu schaffen, die eine Erwerbstätigkeit bis zum Renteneintritt ermöglichen.
Mit Blick auf die politische Ebene würde ich mir wünschen, dass uns endlich ein vernünftiger Einstieg in den Passiv-Aktiv-Transfer gelingt. Dadurch könnte Finanzmittel im beträchtlichen Umfang freigesetzt werden, um Langzeitarbeitslosen auch in der Breite eine soziale Teilhabe ermöglichen.
Weitere Informationen:
Landesprogramm „Öffentlich geförderte Beschäftigung NRW /Sozialer Arbeitsmarkt“