Spielanordnungen
Thyssenkrupp, Siemens, Continental, RWE, EoN, Delphi das sind nur einige prominente Namen aus einer ganzen Liste von Industrieunternehmen, die aktuell ihre Strukturen reformieren, Abspaltungen diskutieren und Teilverkäufe und Börsengänge planen. Die internationale Konzernlandschaft wird also kräftig umgebaut. Die Forcierung kleinerer, marktnaher, spezialisierter Einheiten, die Trennung zwischen Stammgeschäft und Zukunftsgeschäft in unterschiedlichen Unternehmensstrukturen ist ein neuer Trend in diesem Jahr geworden.
Ist diese Art der Wettbewerbsstrategie, der Unternehmensentwicklung ein Vorbild für mittelständische Unternehmen? Sind die aktuellen Konzernentwicklungen so etwas wie die Weltmeisterschaft der Unternehmensstrategie? Werden hier neue Trends, Techniken, taktische Aufstellungen und neue „Spielanordnungen“ geboren, die Schritt für Schritt in die allgemeine Wirtschaftsstruktur einsickern?
Um diese Frage gut beantworten zu können, ist es wichtig ein klareres Verständnis über die Motivlage zur Umstrukturierung der Konzerne zu haben. Was treibt die Konzerne in diese Richtung?
Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang eine Aussage des Vorstandschefs der Schaeffler AG, Klaus Rosenfeld: „Wenn wir ein Lager produzieren, das in einem Getriebe sitzt, dann ist das nicht sehr viel anders als ein Lager, das in eine Industrieanwendung geht.“ Letztlich gehe es um ein technisch anspruchsvolles, präzises Verarbeiten von Stahl und das Verständnis komplexer Systeme.“ Deshalb sehe Rosenfeld keinen Grund die Sparten in eigene Unternehmensteile aufzuspalten.
Rosenfeld argumentiert aus dem Blickwinkel der sogenannten „operativen Exzellenz“. Was kann ich technisch, mechanisch, prozessual besser oder schlechter lösen, wenn ich die Unternehmenseinheiten unter einem Dach habe, im Vergleich zu rechtlich und wirtschaftlich selbstständigen Einheiten.
In der Tat folgt der Trend der Aufspaltung nicht dem Argument der besseren operativen Prozesse. Er folgt auch nicht der Logik besserer Marktbeziehungen, der Kundennähe oder der Serviceverbesserung. Nein, der Trend folgt ausschließlich der Logik der Kapitalbewertung, der Werthaltigkeit von Anteilen auf den Anlegermärkten.
Was zählt sind fantasieanregende Börsenstorys und diese haben herzlich wenig mit operativen, technischen Details zu tun. Bei dieser „Spielanordnung“ geht es also nicht darum ob ein Unternehmen sein Produkt beherrscht, seine Leistung mit besonderer Hingabe und Präzision erbringt oder ähnliche Dinge. Es geht schlicht darum, ob die Manager die Erwartungen der Anteilseigner richtig einschätzen.
Deshalb sind die Konzern-Aufspaltungen dieser Tage absolut überwiegend vom Finanzkapital und nicht vom Industriekapital getrieben. Deshalb sind sie verbunden mit hohen Arbeitsplatzverlusten, Kursschwankungen und heftigen Auseinandersetzungen in den Konzernen. Ein Vorbild für strategische Unternehmensentwicklungen für den Mittelstand sind diese Aufspaltungen wahrlich nicht.
Dabei wäre es für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Konzerne aus den Leitbranchen wie der Automobilproduktion, der Chemie, der Energie und des Maschinenbaus dringend notwendig sich operativ, technisch und kommunikativ neu zu erfinden. Im Zeitalter der Plattformökonomie hilft der verengte Blick auf die Börsenstory nicht mehr viel.