Daten und Öl

Daten sind das Öl der Zukunft. Dieser Satz gehört mittlerweile zum Allgemeingut in vielen Reden und Aufsätzen, die den Zusammenhang von Digitalisierung, Wirtschaft und Gesellschaft beschreiben. Insofern erscheint es sehr sinnvoll sich mit diesem kurzen, aber doch sehr grundsätzlichen Satz etwas ausführlicher zu beschäftigen. 

Durchaus aufhellend ist hierbei ein kurzer Blick in die Geschichte. Weit vor der Nutzung des Erdöls, als strategische Ressource des Industriezeitalters war Öl als Rohstoff durchaus schon bekannt. An der Oberfläche austretendes Erdöl wird durch den Kontakt mit Sauerstoff zu asphaltähnlichem Bitumen. Dies wurde bereits vor 12.000 Jahren in Mesopotamien entdeckt und zum Abdichten von Booten verwendet. In Babylonien wurde Erdöl vermutlich bereits zur Beleuchtung verwendet und ab dem 9. Jahrhundert von islamischen Herrschern in Baku (im heutigen Aserbaidschan) als Heilmittel gehandelt. 

Die moderne Geschichte des Erdöls begann, als in den USA der New Yorker Rechtsanwalt George Bissell die Idee hatte, Petroleum (“Steinöl” - zur Unterscheidung von Pflanzenöl und Tierfett) als Brennstoff für Lampen zu verwenden. Schließlich fand die  Pennsylvania Rock Oil 1859 in Titusville, Pennsylvania, eine ergiebige Ölquelle. Titusville erlebte den ersten Ölboom der Geschichte, Ende 1860 förderten hier bereits 75 Ölbrunnen. Dieses Potenzial hatte John D. Rockefeller seinerzeit rechtzeitig erkannt. Er stieg in den Ölhandel ein - und wurde damit zum reichsten Mann der Welt. 

Rockefeller kümmerte sich um alles, was mit Öl zusammenhing, vom Anbau von Eichen für Ölfässer bis hin zu eigenen Lagerhäusern. 1870 gründete er die Standard Oil Company, die bald den größten Teil der amerikanischen Raffineriekapazität kontrollierte und auch in die Ölförderung einstieg. Standard Oil wurde zum ersten multinationalen Konzern. 

Wenn wir den heutigen Aufstieg von Daten zur strategische Ressource der wirtschaftlichen Entwicklung mit der damaligen Entwicklung des Erdöls vergleichen, fallen drei Dinge ins Auge:

1. Nicht die Existenz von Daten und Datenverarbeitung sind wirklich neue Phänomene oder das prägende Moment des Wandels. Daten als solches kennen und verarbeiten wir schon lange. Aber wie bei der ersten Nutzung des Erdöls, war die Nutzung von Daten bisher wenigen Experten und Eingeweihten vorbehalten. Mit der wachsenden Rechnerkapazität sind nahezu alle Menschen in der Lage Daten zu produzieren und aus Daten Informationen zu generieren. Erst die Technologie und die systematische Verwendung von Daten, erst die Schaffung von relevanten Informationen aus Daten macht aus einem Rohstoff Daten, den strategischen Rohstoff Information. Insoweit muss der obern zitiertet Satz richtigerweise eigentlich lauten: "Informationen sind das Öl der Zukunft."

2. Die industrielle Ausbeutung von strategischen Rohstoffen hat einen typischen Zyklus der Marktstruktur. Zum Start gibt es eine Fülle von Anbietern und Produzenten. Mit der wachsenden Dynamik des Marktes kommt es dann zu Übernahmen, Marktaustritten und zur Monopolbildung. Das sehen wir in der Erdölwirtschaft, in der Petrochemie und in der Automobilwirtschaft genauso wie in der heutigen Informationswirtschaft. "Standard Oil" von heute, das sind facebook, google und amazon. Der historische Vergleich zeigt aber auch, dass nichts auf Ewigkeit angelegt ist und auch Monopole in der globalen Wirtschaft über keine Existenzgarantie verfügen. Darüberhinaus wissen wir heute auch, dass sich Europa im Windschatten des Erdölführers USA in den letzten achtzig Jahren ökonomisch durchaus beachtlich entwickeln konnte. Insoweit ist ein "europäisches Google" nicht der Kern der europäischen Herausforderung, sondern ein eigener europäischer Weg in die neue "Informationswirtschaft".

3. Genau betrachtet gibt es zwischen der historischen "Erdölwirtschaft" und der aufsteigenden "Informationswirtschaft" einen augenfälligen Unterschied: Die Enteignung der Ressourceneigentümer. Die Produzenten des Erdöls wurde damals zu reichen Menschen. Die Produzenten von Daten, also wir alle, gehen leer aus. Insofern ist die Idee des Internetgurus Jaron Lanier, ein Vergütungssystem aufzubauen, das die Profite des Internets an all jene die mit ihren Daten zum Kapital der digitalen Wirtschaft beitragen verteilt (z.B. indem Facebook seine Nutzer für jeden Eintrag, jedes Foto entlohnt) durchaus nicht einfach nur eine Utopie, sondern im Geiste der sozialen Marktwirtschaft.
 

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